Wirksamkeit erhalten - Gesundheitsministerin entwickelt Strategie
Hannover. Antibiotika zählen zu den bedeutendsten Entwicklungen der modernen Medizin.
Sie wirken bei bakteriellen Infektionskrankheiten und retten in vielen Fällen
Leben. Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto größer ist allerdings das
Risiko, dass ihre Wirkung nachlässt.
Daher hat Niedersachsen eine Antibiotikastrategie entwickelt.
„Antibiotika müssen wirksam bleiben", sagt Niedersachsens
Gesundheitsministerin Cornelia Rundt. „Ansetzen müssen wir an zwei Punkten.
Erstens müssen wir Antibiotika gezielt einsetzen - dort wo sie wirklich nötig
sind. Denn nur so können wir die Entwicklung von Resistenzen begrenzen. Zweitens
müssen wir die Hygiene verbessern, um die Verbreitung von Resistenzen zu
begrenzen."
Die Niedersächsische Antibiotikastrategie:
1. Deutschlandweit werden rund 85 Prozent der Antibiotika von niedergelassenen Ärzten verordnet. Daher hat das Niedersächsische
Landesgesundheitsamt (NLGA) im Auftrag des Niedersächsischen
Gesundheitsministeriums gemeinsam mit niedersächsischen Expertinnen und Experten
einen Ratgeber für niedergelassene Ärzte entwickelt, der in komprimierter Form
praxisnahe Tipps gibt, welche Antibiotika gezielt bei welchen Krankheiten
verordnet werden. Dieser Ratgeber liegt jetzt in der ersten Auflage vor. „Der
industrieunabhängige Ratgeber berücksichtigt sowohl aktuelle Leitlinien, als
auch die derzeitige Resistenzsituation in Niedersachsen und soll Ärztinnen und
Ärzten im niedergelassenen Bereich eine Entscheidungshilfe für einen
zurückhaltenden und rationalen Einsatz von Antibiotika geben", sagt Dr. Matthias
Pulz, Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes.
2. Um auch Ärztinnen und Ärzten in Krankenhäusern gezielte Strategien zur
Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendungen an die Hand zu geben, hat das NLGA
im Auftrag des Gesundheitsministeriums gemeinsam mit der Ärztekammer
Niedersachsen, der Apothekerkammer Niedersachsen und Fachleuten aus der
Infektiologie eine Fortbildung entwickelt.
3. Auch Patientinnen und Patienten oder Eltern von erkrankten Kindern können
ihren Beitrag zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika leisten. Im
Fall von grippalen Infekten oder anderen Infektionserkrankungen ist es oft nicht
nötig, Antibiotika einzunehmen. Um Patientinnen und Patienten zu erreichen, hat
das Ministerium zusammen mit dem NLGA ein Informationsblatt erstellt, das in
Apotheken ausgelegen hat und auf den Internetseiten des NLGA abrufbar ist.
4. Auf der Webseite
www.antibiotikastrategie.niedersachsen.de
stellt das NLGA für Patientinnen und Patienten und für Fachleute zum Thema
Hygiene und zum Umgang mit dem Methicillin-resistenten Staphylokokkus aureus,
kurz MRSA, bereit.
5. ARMIN (Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen) bietet
Fachinformationen zur Resistenzlage in Niedersachsen. Die Daten gewinnt das NLGA
in enger Zusammenarbeit mit inzwischen 13 niedersächsischen Laboren. Dieses
Instrument ist eine Grundlage für die Beratung zur Antibioikatherapie und eine
Möglichkeit, Entwicklungen über die Zeit zu beobachten und damit auch zu
evaluieren, ob die Maßnahmen greifen.
„Jeder Einsatz von Antibiotika kann die Resistenzentwicklung fördern. Wichtig
ist daher erst eine kritische Indikationsstellung und dann eine zielgerichtete
Antibiotikatherapie. Der neue Antibiotika-Ratgeber des NLGA erfüllt alle
Kriterien, um der Ärzteschaft fundierte und praxisnahe Hinweise für eine
zurückhaltende Antibiotikatherapie an die Hand zu geben", erklärt Dr. med.
Gisbert Voigt, Vizepräsident der Ärztekammer Niedersachsen. „Besonders positiv
hervorzuheben ist, dass er die unterschiedlichen Krankheitsbilder in einzelnen
Kapiteln behandelt und die jeweils aktuellen Resistenzen darstellt sowie
entsprechende Medikamente nennt. Auch im Bereich der Fortbildung sind wir auf
einem sehr guten Weg: Die Ärztekammer Niedersachsen hat sich gerne als
Kooperationspartner des NLGA am Ersten Basiskurs Antibiotikatherapie beteiligt.
Wir freuen uns über die hohe Resonanz bei den Anmeldungen."
„Rund 22
Millionen Patienten haben im Jahr 2010 ein Antibiotikarezept erhalten. Das sind
31,5 Prozent aller GKV-Versicherten. Innerhalb Deutschlands werden Antibiotika
regional unterschiedlich oft verschrieben. Dabei zeigen sich für Kinder und
Jugendliche andere regionale Muster als für Erwachsene. Antibiotika gehören zu
den häufigsten Arzneimittelverordnungen in Deutschland. Ihr breiter Einsatz wird
inzwischen kritisch beurteilt, da sich zunehmend Resistenzen entwickeln und die
Mittel dadurch ihre Wirkung verlieren. Daher begrüßt die Kassenärztliche
Vereinigung die niedersächsische Antibiotikastrategie", sagt Dr. Jörg Berling,
stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung
Niedersachsen (KVN).
Um die Verbreitung bereits vorhandener Resistenzen einzuschränken, greift in
Niedersachsen bereits die Niedersächsische Hygieneverordnung. Die Leitung jeder
medizinischen Einrichtung ist danach für die Hygiene im Sinn eines
Qualitätsmanagements verantwortlich. Daneben gibt es ein Begleitgremium, in dem
Problemfelder der Hygiene im Kontext mit Antibiotikaresistenzen erörtert und
überregionale Strategien abgestimmt werden. Auch auf kommunaler Ebene gibt es in
Niedersachsen Netzwerke, zum Beispiel in Osnabrück, der Region Hannover oder das
Hygienenetzwerk Südostniedersachsen. Ihr Ziel ist der offene Austausch zwischen
den verschiedenen Institutionen, die Patienten betreuen. Wenn zum Beispiel ein
mit MRSA besiedelter Patient aus einem Krankenhaus in eine Pflegeeinrichtung
überwiesen wird, kann die Einrichtung informiert werden, damit das Personal dort
die entsprechenden Hygienemaßnahmen ergreifen kann.