Neue Erkenntnisse nach neuen Funden
Hannover. Die Geheimnisse von zwei archäologischen Funden haben Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) und
der Leibniz Universität Hannover enträtselt. Es handelt sich zum einen um den
ältesten Metallfund Niedersachsens, ein jungsteinzeitliches Kupferbeil aus dem
4. Jahrtausend vor Christus, zum anderen um ein hervorragend erhaltenes Schwert
aus dem frühen Mittelalter mit der Inschrift „Ulfberht". Die beiden niedersächsischen
Funde werfen ein neues Licht auf die Ur- und Frühgeschichte Europas. Die Ergebnisse ihrer interdisziplinären
Untersuchungen wurden von Wissenschaftlern und
Wissenschaftlerinnen der Leibniz Universität Hannover und des Niedersächsischen
Landesamtes für Denkmalpflege im historischen Kali-Hörsaal des Instituts für
Anorganische Chemie präsentiert
„Archäologische Funde hauchen der Menschheitsgeschichte Leben ein. Das jüngst
entdeckte jungsteinzeitliche Kupferbeil und das hervorragend erhaltene
Ulfberht-Schwert aus dem frühen Mittelalter werfen ein völlig neues Licht auf
unsere Landesgeschichte", sagte die Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft
und Kultur, Gabriele Heinen-Kljajić. „Die Funde belegen, dass
schon sehr frühe Kulturen ausgeprägte technologische und künstlerische
Fertigkeiten besaßen, komplexe Handelsbeziehungen aufbauten und außerordentlich
mobil waren."
Zu verdanken sind die neuen Erkenntnisse der guten Zusammenarbeit zwischen
dem Institut für Anorganische Chemie der Leibniz Universität Hannover und den
Denkmalpflegern des Landes. Diese hat schon einige bedeutende
Forschungsergebnisse geliefert, so z. B. zum frühen Bergbau im Harz oder zum
bronzezeitlichen Goldhort von Gessel.
Dazu die Ministerin: „Wie man am Beispiel der Archäologie sehen kann, ist es ein Gewinn, wenn
Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen eng
zusammenarbeiten. Viele Erkenntnisse kann die Archäologie selbst erschließen,
aber ihr sind methodische Grenzen gesetzt. Diese können überwunden werden, wenn
Archäologen gemeinschaftlich mit Wissenschaftlern aus Nachbardisziplinen ans
Werk gehen."
„Ich freue mich sehr, dass wir mit verschiedenen Instituten der Leibniz
Universität an der Analyse und Datierung der aktuellen Funde beteiligt sind", so
der Präsident der Leibniz Universität, Prof. Dr.-Ing. Erich Barke. „In
Zusammenarbeit mit dem kooperativen, hoch spezialisierten Netzwerk von
außeruniversitären Expertinnen und Experten am Standort Hannover, wie zum
Beispiel aus dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege und dem
Niedersächsischen Landesmuseum, können wir gemeinsam auf diesem Gebiet innovativ
und zukunftsweisend arbeiten."
Ein steinzeitliches Kupferbeil - der älteste Metallfund
Niedersachsens
Das Kupferbeil ist der älteste je in Niedersachsen gefundene Metallfund und
gehört zu den ersten Metallartefakten in Europa. Das Beil wurde in Steinbergen
bei Rinteln von einem Detektorgänger auf einem steilen Geländesporn an einem
uralten Pass durch das Weserbergland gefunden. Diese Kupferbeile aus der
Jungsteinzeit finden sich vor allem im südöstlichen Mitteleuropa und
bemerkenswerterweise im südlichen Skandinavien. Anhand des Beils aus dem 4.
Jahrtausend zeigt sich die in vielen Epochen auszumachende Mittlerrolle
Niedersachsens auf der Landkarte der Kulturentwicklung. Niedersachsen ist in
diesem Zeitraum besonders interessant, weil sich hier zur gleichen Zeit zwei
unterschiedliche Kulturen parallel abbilden. Während sich die Neolithisierung,
die Sesshaftwerdung, im südlichen Niedersachsen wie in Mittel- und
Süddeutschland bereits im 6. vorchristlichen Jahrtausend vollzog, findet dieser
Prozess im Norden etwa 1000 Jahre später statt. Hier zeigen sich enge Kontakte
zwischen den frühen Bauernkulturen des Nordens, die als Zeichen einer neuen Ära
die Megalithgräber errichteten mit den viel weiter entwickelten Kulturen
Zentraleuropas. Man geht davon aus, dass in dem Umwälzungsprozess zur
Sesshaftigkeit neolithische Eliten des Nordens sich Kupfer aus dem Ostalpenraum
beschafft und dann im Norden als Prestigeobjekte verehrt haben. Die Chemiker
bestätigen die weiträumigen Fernkontakte: Das fast reine Kupfer lässt sich
aufgrund seines Spurenelementefingerabdrucks dem Ostalpenraum zuordnen.
Ein Ulfberht-Schwert aus dem 10. Jahrhundert
Ebenso spektakulär ist ein sehr gut erhaltenes Schwert aus dem frühen
Mittelalter, das bei Baggerarbeiten in der Weser bei Großenwieden (Hessisch
Oldendorf, Kreis Hameln-Pyrmont) entdeckt wurde. Die Inschrift weist die Waffe
den legendären Ulfberht-Schwertern zu. Dies ist der erste Fund in Niedersachsen
und einer der wenigen Belege in Mitteleuropa. Die Computertomographie zeigt die
Details der Schwertkonstruktion und Analysen verraten das metallurgische
Geheminis dieser legendären „Hightech"-Waffen, die im fränkischen Reich
gefertigt wurden und trotz eines Ausfuhrverbotes in großen Zahlen in die Hände
der feindlichen Wikinger und Slawen gerieten. Dort finden sich die meisten
Schwerter, zumeist als Beigaben in heidnischen Gräbern. Im fränkischen
Kerngebiet sind sie sehr selten - zumeist als Flussfunde - da man den
christlichen Toten keine Beigaben mitgegeben hat.
Es wurde aufgrund der Namenssignatur vermutet, dass diese Ulfberhtschwerter
im Rheinland hergestellt wurden. In jüngerer Zeit wird gemutmaßt, dass die
Produktion diese Schwerter wie auch anderer Waffen an Bischofssitzen oder in
Klöstern im fränkischen Kerngebiet erfolgte.
Aufgrund der Isotopenanalyse der Bleianteile der Griffverzierung kann eine
hessische Lagerstätte im Rheinischen Schiefergebirge, genauer im Hintertaunus
zwischen Rhein, Lahn und Wetterau als Materialquelle identifiziert werden. Wenn
man von der gut untermauerten Vermutung ausgeht, dass diese Schwerter in
Klöstern hergestellt wurden, kommen am ehesten Lorsch oder Fulda in Betracht.
Für beide Klöster ist eine Waffenproduktion historisch belegt.
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