Nicht mehr zum Abitur hecheln
Hannover. Die Niedersächsische Landesregierung hat am (heutigen) Dienstag den Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes beschlossen. Der
Gesetzesentwurf wird in der nächsten Sitzung des Niedersächsischen Landtags
eingebracht. Die wesentlichen Punkte:
Abitur nach 13 Schuljahren
Mit dem Gesetzentwurf soll die Umstellung des Abiturs nach acht Jahren hin zu
einem neuen modernen Abitur nach neun Jahren an den Gymnasien und an den nach
Schulzweigen gegliederten Kooperativen Gesamtschulen erfolgen. Einzelne
Schülerinnen und Schüler sollen aber durchaus auch zukünftig durch das
Überspringen eines Schuljahres die allgemeine Hochschulreife bereits nach 12
Schuljahren erwerben können. Persönlichen Neigungen, individuellen Begabungen
sowie Interessen in und außerhalb der Schule wird mit einer Wiedereinführung des
13. Schuljahres ebenso Rechnung getragen wie unterschiedlichen alters- und
geschlechtstypischen Entwicklungsphasen und möglichen familiären Belastungen.
Die Umstellung auf die dreizehnjährige Schulzeitdauer bis zum Abitur soll mit
dem Schuljahr 2015/2016 beginnen und für die Schuljahrgänge 5 bis 8 gelten.
Inklusive Schule
Nach dem Auslaufen des Primarbereichs der Förderschulen mit dem Schwerpunkt
Lernen ist mit dem Gesetzesentwurf beabsichtigt, auch den Sekundarbereich I
dieser Förderschulen jahrgangsweise auslaufen zu lassen. Der ursprüngliche
Entwurf hatte vorgesehen, auch die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Sprache
auslaufen zu lassen, dies wurde jetzt nach der Verbandsanhörung angepasst: Die
bestehenden Förderschulen Sprache erhalten Bestandsschutz und können
weitergeführt werden. Neuerrichtungen werden gleichwohl nicht mehr möglich sein.
Alle Kinder - ob mit oder ohne Unterstützungsbedarf - sollten die Möglichkeit
erhalten, gemeinsam zu lernen, sagte Ministerin Heiligenstadt. Die
Stellungnahmen der betroffenen Verbände im Rahmen der Gesetzesinitiative hätten
jedoch deutlich gemacht, dass der Inklusionsprozess mehr Zeit brauche. Es gelte
nun, den Weg noch behutsamer zu beschreiten und noch stärker für die inklusive
Schule zu werben.
Ein weiteres Ergebnis der Auswertung der Verbandsanhörung ist in den
Gesetzesentwurf eingeflossen: Förderschulen sollen auch weiterhin die Funktion
von Förderzentren übernehmen. An der geplanten Einführung der Regionalstellen
für schulische Inklusion halte die Regierung im Grundsatz fest, bekräftigte die
Kultusministerin. Auch an dieser Stelle werde jedoch mehr Zeit gegeben, um
gemeinsame Konzepte und verschiedene Varianten im Detail zu entwickeln.
Ganztagsschule
Der Stellenwert der Ganztagsschule wird im Entwurf mit einer neuen
Ganztagsschulvorschrift hervorgehoben. Im neuen § 23 Niedersächsisches
Schulgesetz (NSchG) wird eine klare Abgrenzung der Ganztagsschule von der
Halbtagsschule vorgenommen. Zudem werden die offene, die teilgebundene und die
gebundene Form der Ganztagsschule definiert.
Bildungsprozesse finden nicht nur in Schulen statt. Die unterschiedlichen
Bildungspartner, dazu gehören u.a. die Musikschulen, die Volkshochschulen,
kulturelle Einrichtungen und die Sportvereine, zusammenzubringen, ist eine
wichtige Aufgabe, die sich bei der Ganztagsschule stellt. Die gesetzliche
Verankerung der Ganztagsschule und die weitere Vernetzung der unterschiedlichen
Bildungsangebote unter dem Dach der Schule ist Ziel des Gesetzentwurfs.
Grundschule
Weiterhin sieht der Gesetzentwurf vor, dass die bisherige
Schullaufbahnempfehlung am Ende des 4. Schuljahrgangs entfällt. Dadurch
würden der nicht kindgerechte Leistungsdruck im Primarbereich abgeschafft und
die Grundschulen weiter entlastet, so Kultusministerin Heiligenstadt.
Stattdessen sollen die Schulen den Erziehungsberechtigten zwei auf den
zukünftigen Bildungsweg der Schülerin oder des Schülers bezogene
Beratungsgespräche anbieten, damit die Erziehungsberechtigten optimal
vorbereitet eigenverantwortlich über den weiteren Bildungsweg ihres Kindes
entscheiden können.
Mit der Weiterführung der Eingangsstufein Klasse 3 und 4
wird eine zusätzliche Variante jahrgangsübergreifenden Unterrichts eingeführt.
Mit dem geplanten Wegfall der Schullaufbahnempfehlung fällt auch ihre
rechtliche Bedeutung bei Überweisungsentscheidungen am Ende des 6.
Schuljahrgangs ersatzlos weg. Die zweimalige Wiederholung desselben
Schuljahrgangs nacheinander oder die Nichtversetzung in zwei aufeinander
folgenden Schuljahrgängen führt zudem nicht mehr automatisch und regelmäßig zu
einer Überweisung an eine andere Schule einer geeigneten Schulform. Den Schulen
werde damit in diesen Fällen ein Ermessensspielraum eröffnet und so die
pädagogische Kompetenz der Schule weiter gestärkt, sagte Kultusministerin
Heiligenstadt zur Begründung.
Schülerbeförderung
Das Ausmaß der Verpflichtung zur Schülerbeförderung der Landkreise und
kreisfreien Städte soll verändert werden: Für die Schülerinnen und Schüler
bleibt die Beförderung zur nächsten Schule der gewählten Schulform
gewährleistet. Die Privilegierung besonderer Bildungsgänge zu Lasten der Träger
der Schülerbeförderung soll jedoch eingedämmt werden. Bestandsschutz erhalten
die Förderschulen in Bezug auf einzelne Förderschwerpunkte, Ersatzschulen von
besonderer pädagogischer Bedeutung (u.a. Freie Waldorfschulen),
Berufsfachschulen und Berufseinstiegsschulen. Auf Anregung des Landeselternrates
ist der Gesetzesentwurf präzisiert worden: So wird jetzt sichergestellt, dass
die Kostenerstattung für die Schülerbeförderung auch dann gewährleistet ist,
wenn der Besuch einer Schule der gewählten Schulform nur außerhalb des Gebiets
des Landkreises oder der kreisfreien Stadt unter zumutbaren Bedingungen möglich
ist.
Gesamtschule
Im Rahmen der Regelungen der schulorganisatorischen Maßnahmen werden die
Voraussetzungen zum Führen der Gesamtschule rechtlich an die der Oberschule als
weitere ersetzende Schulform angeglichen. Die Schulträger werden künftig von der
Pflicht befreit, neben der Gesamtschule noch alle Schulen des gegliederten
Schulwesens vorhalten zu müssen. Bisher ist dies auf Antrag des Schulträgers der
Gesamtschule möglich. Schulträger bleiben weiterhin berechtigt, aber keinesfalls
verpflichtet Gesamtschulen zu errichten. Schülerinnen und Schüler müssen bei
Errichtung der Gesamtschule unter zumutbaren Bedingungen ein Gymnasium erreichen
können.
Außerdem soll es ermöglicht werden, neben Förderschulen, Hauptschulen und
Oberschulen ohne gymnasiales Angebot auch Oberschulen mit gymnasialem Angebot
sowie Gesamtschulen mit Grundschulen organisatorisch in einer Schule
zusammenzufassen. Für die neue Schule können die Schulträger einvernehmlich eine
Schulträgerschaft nach § 102 Abs. 2 NSchG vereinbaren (z. B.: Landkreis kann
Schulträgerschaft für zusammengefasste Grund- und Gesamtschule bekommen).
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