Rede der niedersächsischen Justizministerin im Bundesrat
„In der jüngeren Vergangenheit hat das Verhalten der sogenannten „Gaffer"
insbesondere im Bereich von Verkehrsunfällen Anlass zur Sorge gegeben: Immer
häufiger ist der Medienberichterstattung zu entnehmen, dass bei schweren
Verkehrsunfällen Schaulustige die verunglückten schwerverletzten oder gar
sterbenden Personen nicht nur „begaffen", sondern mit ihren Smartphones
fotografieren und filmen und diese Bilder und Filme anschließend ins Internet
einstellen oder über soziale Netzwerke verbreiten.
Neben einer Missachtung der Persönlichkeitsrechte der Opfer behindern die
Schaulustigen zusätzlich noch die Hilfeleistung und erschweren oder verhindern
in Einzelfällen sogar die Rettung der verunglückten Personen. Seit einigen
Jahren nimmt das Phänomen des „Gaffens" immer weiter zu. Neben der
verachtenswerten Verletzung der Privatsphäre der Opfer führt das Verhalten der
„Gaffer" aber auch häufig zu Folgeunfällen.
Diesem Voyeurismus - zunächst des Einzelnen, - dann geteilt im Internet,
damit Unzähligen - müssen wir entgegentreten. Auch mit den Mitteln des
Strafrechts. Die aktuelle Gesetzeslage muss der Realität von Smartphones und
Facebook angepasst werden. Eine Behinderung von Rettungsarbeiten ohne weitere
Qualifizierung stellt das geltende Recht nicht explizit unter Strafe. Damit ist
der nicht strafbar, der einen Rettungshubschrauber am Start hindert, weil er
noch Hand und Handy im Innern einsetzt. Und auch nicht derjenige, der seinen
Wagen, der den Zugang des Rettungswagens blockiert, nicht wegfährt, weil er erst
noch Aufnahmen meint machen zu müssen. - Und das noch mit der festen Überzeugung
ein Recht darauf zu haben.
Diese Regelungslücke soll nach unserem Gesetzesentwurf durch die Einführung
eines neuen Paragraphen § 115 StGB „Behinderung von Hilfeleistungen" geschlossen
werden.
Die Einführung eines neuen § 115 StGB-E wäre ein erster wichtiger Schritt bei
der Bekämpfung der „Gaffer". Es besteht meines Erachtens aber noch
weitergehender Handlungsbedarf.
Auch der strafrechtliche Schutz der Persönlichkeitsrechte der Opfer gegen das
Fotografieren oder Filmen ist lückenhaft: Nach geltendem Recht macht sich zwar
strafbar, wer unbefugt eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen
Person zur Schau stellt, herstellt oder überträgt und dadurch den
höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Dabei sind
die Aufnahmen von verstorbenen Opfern nicht erfasst.
Insoweit hilft auch das sog. Kunsturhebergesetz nicht weiter: Das stellt nur
die Verbreitung, nicht aber die Fertigung von Aufnahmen selbst, unter Strafe.
Zum Zeitpunkt der Aufnahmen am Unfallort wird aber regelmäßig noch nicht
festgestellt werden können, dass der Hersteller die Aufnahmen verbreiten
will.
Das ist aber der Zeitpunkt zu dem ein Einschreiten der Polizei stattfinden
muss, will man einen effektiven Schutz erreichen! Gegenwärtig besteht keine
rechtliche Handhabe, die Aufnahmen zu beschlagnahmen, um die drohende
Veröffentlichung abzuwenden und glauben sie mir, die Beschlagnahme eines Handys,
das schmerzt!
Ich bitte Sie daher, den Gesetzesantrag zu unterstützen."
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