Schwere Aufgabe für Verwaltungsgericht Hannover
5. Juli 2016. Die 1993 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige türkischer
Abstammung. Sie besitzt einen im Jahr 2012 ausgestellten Reisepass und
Personalausweis.
Im November 2015 erkundigten sich die Klägerin und der 1992 in Kabul geborene
A. beim Standesamt Hannover nach den Formalien für eine Eheschließung. Dem
A., einem afghanischen Staatsangehörigen, hatte die Beklagte mit - rechtskräftig
gerichtlich bestätigtem - Bescheid vom 14. Juli 2015 die Ausreise aus der
Bundesrepublik Deutschland für ein Jahr untersagt. Zugleich hat er Meldeauflagen
Folge zu leisten.
Im Januar 2016 regte die beigeladene Polizeidirektion Hannover
gegenüber der Beklagten an, den Reisepass der Klägerin einzuziehen und ihren
Personalausweis zu beschränken. Die Polizeidirektion legte ein Behördenzeugnis
des ebenfalls beigeladenen Bundesamts für Verfassungsschutz aus Dezember 2015
bei. Danach habe A. weiterhin die Absicht, Deutschland mit dem Ziel des Jihad zu
verlassen. Er erhalte Unterstützung durch die Klägerin; sie wolle gemeinsam mit
A. in den Jihad ziehen und sich von ihm zu diesem Zweck im Gebrauch von
Schusswaffen unterrichten lassen.
Mit Bescheid vom 14. April 2016 schränkte die
Beklagte nach vorheriger Anhörung der Klägerin deren Personalausweis auf das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein (1.), entzog ihr den Personalausweis
(2.) und den Reisepass (3.), speicherte die genannten Maßnahmen im polizeilichen
Grenzfahndungsbestand (4.), ordnete an, dass der Klägerin ein
Ersatzpersonalausweis, der nicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet berechtigt,
ausgestellt wird (5.) und ordnete an, dass sich die Klägerin zur Durchführung
der Maßnahmen bis zum 29. April 2016 bei der Beklagten zu melden habe (6.). Die
Beklagte befristete die Maßnahmen zu 1.) bis 3.) bis zum 30. April 2017.
Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage gibt die Klägerin an, sich von
A. getrennt zu haben. Sie strebe einen deutschen Schulabschluss an. Da A. das
Bundesgebiet nicht verlassen dürfe, sei auch nicht zu erwarten, dass sie dies
tue. Durch die angefochtenen Maßnahmen werde sie stigmatisiert.
Termin zur mündlichen Verhandlung: 7. Juli 2016, 11.30 Uhr, Saal 1
Az. 10 A 2559/16
Das Urteil
7. Juli 2016. Die beklagte Landeshauptstadt hat den Personalausweis der Klägerin derart
beschränkt, dass sie Deutschland nicht verlassen kann, und ihren Pass
eingezogen, weil Zeugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz belegten, dass
die Klägerin mit einem afghanischen Staatsangehörigen in Verbindung steht, dem
seinerseits vorgeworfen wird, er wolle im Jihad als Märtyrer sterben; die
Klägerin habe zudem bekundet, sie wolle ihn begleiten und sich auch im Gebrauch
von Waffen von ihm unterrichten lassen.
Im Klageverfahren hatte die - in der
Verhandlung nicht anwesende - Klägerin darauf verwiesen, sie habe den
afghanischen Staatsangehörigen zwar früher heiraten wollen, diese Absicht aber
inzwischen fallen lassen. Demgegenüber konnte der Verfassungsschutz dartun, dass
die Verbindung zwischen beiden noch fortbestehe. Die Klägerin besuche den
afghanischen Staatsangehörigen regelmäßig, habe ihre religiöse Heirat mit ihm
gefeiert und sei auch gemeinsam mit ihm im Fahrzeug ihres Vaters angetroffen
worden.
Angesichts dieser Erkenntnisse sah das Gericht die Einschätzung des
Verfassungsschutzes als bestätigt an. Zwar spreche die religiöse Heirat nicht
ohne weiteres dafür, dass die Klägerin in den Jihad ziehen wolle, aber ihr
Verhalten, die Verbindung zu leugnen und gegenüber dem Standesamt der Beklagten
anzugeben, die Aktivitäten des afghanischen Staatsangehörigen täten nichts zur
Sache, weckten den Argwohn, dass die Prognose des Verfassungsschutzes zutreffend
sei. Dessen Angaben sei auch deshalb zu trauen, weil er in der mündlichen
Verhandlung auf Nachfragen weitere Tatsachen für seine Prognose habe benennen
könne. Die Klägerin dagegen habe ihr eigenes Verhalten nicht erklärt.
10 A 2559/16
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