Wie gefährlich sind "Reichsbürger"?
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der
Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 40 der Abgeordneten Dr. Marco Genthe,
Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode, Christian Dürr, Hermann Grupe, Jan-Christoph
Oetjen und Christian Grascha (FDP):
Vorbemerkung der Abgeordneten
Aus der Antwort der Landesregierung auf die mündliche Anfrage von
Abgeordneten der FDP-Fraktion (Drs.17/6785; Nr. 41) geht hervor, dass die
„Reichsbürger" an den niedersächsischen Gerichten einen erhöhten
Bearbeitungsaufwand sowie gesteigerte Sicherheitsmaßnahmen verursachten. Dabei
solle gerade der Tätigkeitsbereich von Gerichtsvollzieherinnen und
Gerichtsvollziehern betroffen sein. Auch in Justizvollzugsanstalten sollen die
„Reichsbürger" aktiv sein.
Ferner sollen wegen dieser Bewegung in der Vergangenheit Gespräche mit
Obergerichten und Generalstaatsanwaltschaften stattgefunden haben, um einen
sinnvollen Umgang mit den „Reichsbürgern" zu verabreden.
1. Wie oft kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Gerichtsvollzieherinnen
und Gerichtsvollziehern und „Reichsbürgern" in Niedersachsen?
In der überwiegenden Zahl der niedersächsischen Amtsgerichte hatten die dort
tätigen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in den letzten Jahren
dienstliche Kontakte mit sogenannten Reichsbürgern. Wie oft es dabei zu
Auseinandersetzungen kam, lässt sich nur grob schätzen. Auseinandersetzungen
werden nicht statistisch erfasst und sind auch nicht weiter definiert. Der
Begriff der Auseinandersetzung wird vor Ort unterschiedlich ausgelegt. Die
nachfolgende Darstellung wird zusätzlich dadurch vergröbert, dass die Frage den
interessierenden Zeitraum nicht eingrenzt und die Berichte des Geschäftsbereichs
des Justizministeriums sich auf unterschiedliche Zeiträume (beginnend mit dem
Jahr 2012) beziehen. Mit diesen Einschränkungen stellt sich die Lage wie folgt
dar:
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Braunschweig soll es mehr als 50 Fälle von
Auseinandersetzungen gegeben haben. Dabei soll es sich ausschließlich um verbale
Auseinandersetzungen gehandelt haben, deren Tonfall und Inhalt den bei
sogenannten Reichsbürgern beobachteten (schriftlichen) Injurien entsprochen
habe. Von tätlichen Auseinandersetzungen, also körperlichen Übergriffen auf
Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, wurde hingegen nicht berichtet.
Für solche würden im Einzelfall Vorkehrungen getroffen, bspw. durch das
Hinzuziehen von Polizeikräften oder die Verwendung von Schutzwesten.
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle soll es etwa 90 Auseinandersetzungen
ohne die Anwendung körperlicher Gewalt gegeben haben. Auch hier wird von
verbalen Auseinandersetzungen, Drohungen gegen die Gerichtsvollzieherinnen und
Gerichtsvollzieher und vereinzelt auch von der Anfertigung von Filmen berichtet.
Daneben hat ein Amtsgericht von einem Fall der Anwendung körperlicher Gewalt bei
einer Räumungsmaßnahme berichtet, bei der ein sogenannter Reichsbürger eine
Polizistin verletzt haben soll, die die Maßnahme abgesichert habe.
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg soll es eine nicht näher
bezifferte Anzahl von schriftlichen und verbalen Konfrontationen von
Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern mit sogenannten Reichsbürgern
gegeben haben. Bei bekannten „Reichsbürgern" werde die Polizei um Amtshilfe
gebeten. Aus dem Bezirk des Landgerichts Osnabrück wird ein Fall eines
körperlichen Übergriffs berichtet: Bei dem Amtsgericht Osnabrück sei ein
sogenannter Reichsbürger auf einen Gerichtsvollzieher im Beisein mehrerer
Polizeibeamter mit einem Baseballschläger losgegangen.
2. In welchen konkreten niedersächsischen Justizvollzugsanstalten
verursachten die „Reichsbürger" einen erhöhten Aufwand durch eine Vielzahl von
Beschwerden beziehungsweise durch mangelnde Kooperation?
In der Vergangenheit verursachte jeweils ein inhaftierter „Reichsbürger" in
den Justizvollzugsanstalten Meppen und Uelzen einen erhöhten Aufwand durch eine
Vielzahl von Beschwerden beziehungsweise durch mangelnde
Kooperationsbereitschaft. Beide Gefangenen sind mittlerweile entlassen.
In der Abteilung Braunschweig der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel ist
aktuell ein „Reichsbürger" inhaftiert, der einen erhöhten Arbeitsaufwand
verursacht und nicht kooperiert.
Gegen einen aktuell in der Justizvollzugsanstalt Bremervörde inhaftierten
„Reichsbürger" und seine externen Unterstützer wurden diverse Strafanzeigen
wegen Beleidigung und Bedrohung gestellt. Ein erhöhter Arbeitsaufwand war damit
bisher nicht verbunden.
3. Welche konkreten Ergebnisse hatten die Besprechungen mit den
Obergerichten und Generalstaatsanwaltschaften?
Auf Besprechungen im Frühjahr 2016 hin hat das Justizministerium den
niedersächsischen Gerichten und Staatsanwaltschaften Handreichungen zum Umgang
mit sogenannten Reichsbürgern zur Verfügung gestellt. Weitere Besprechungen
haben den Bedarf an aufgabenbezogenen Handreichungen sowie weitere Unterstützung
von Leiterinnen und Leitern der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie der
Beschäftigten ergeben. In dieser Folge hat das Justizministerium einen
Ansprechpartner für Justizangehörige bestellt, die Fragen und Anliegen zum
Umgang mit sogenannten Reichsbürgern haben. Es hat außerdem aufgabenbezogene
Handreichungen entwickelt und deren Inhalt und Zielrichtung mit Vertreterinnen
und Vertretern der Obergerichte, der Generalstaatsanwaltschaften sowie von
Gerichten und Staatsanwaltschaften, außerdem mit Vertreterinnen und Vertretern
der Hauptrichterräte der Gerichtsbarkeiten, des Hauptstaatsanwaltsrats und des
Hauptpersonalrats abgestimmt. Die Handreichungen werden derzeit finalisiert.
Siehe auch: Glückwunsch?
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