Justizministerin im Niedersächsischen Landtag zu CDU-Antrag, Drucksache 17/7707
„Schon seit langem wurde wohl kein familienrechtliches Thema mehr so
emotional und so breit diskutiert wie das der Kinderehe. Ich hatte aber leider
nicht immer den Eindruck, dass das Kindeswohl dabei den Takt vorgegeben hat.
Lassen Sie mich vorab eines klar zum Ausdruck bringen. Für mich steht
unumstößlich fest, dass Kinder nicht ins Ehebett, sondern auf die Schulbank
gehören! Unter Zwang geschlossene Ehen widersprechen nicht nur unserer
Rechtsordnung - sie herbeizuführen ist strafbar. Ebenso strafbar ist jede
sexuelle Handlung an Kindern, ganz egal ob - entsetzlich genug - verheiratet
oder nicht!
Wir alle kennen bestürzende Bilder von jungen Mädchen, nicht einmal 14 Jahre
alt, im Brautschleier oder gar mit Baby auf dem Arm an der Seite eines älteren
Mannes, traurig und der Kindheit beraubt. Es ist die Aufgabe von jeder und jedem, die oder der Verantwortung trägt, sich für diese Kinder einzusetzen, damit alle
einfach Kind sein dürfen, sich frei entfalten und gesund und altersentsprechend
aufwachsen können. Die Achtung des Kindeswohls und der Schutz der Minderjährigen
weltweit ist ein zentrales Anliegen. Die UN-Kinderrechtskonvention - gestern
feierte sie in Deutschland 25-jähriges Jubiläum! - fordert international den
Schutz für Kinder ein. Es ist unsere Pflicht, Kinder und Jugendliche vor Gewalt
und vor den schädigenden Folgen von fremdbestimmter Sexualität durch eine viel
zu frühe Ehe zu schützen.
Wie setzen wir das ins Werk? Indem wir festlegen, dass Ehen von
Minderjährigen, die nach ausländischem Recht geschlossenen wurden,
altersunabhängig durch ein Gericht aufgehoben werden müssen. Nur dann kann
nämlich vor deutschen Familiengerichten und gemessen an den Maßstäben des
deutschen Rechts für jede so geschlossene Ehe eine am Kindeswohl orientierte
Entscheidung getroffen werden.
Es ist selbstverständlich, dass Gewalt mit dem Kindeswohl nicht vereinbar
ist. Ehen, in die Kinder gedrängt werden, dürfen keinen Bestand haben. Bisher
wurde dies am sogenannten ordre public geprüft. Es ist zu begrüßen, wenn dafür
jetzt konkrete Vorgaben geschaffen werden, die der Ablehnung von Kinderehen
Geltung verschaffen.
Der Kinderschutz und die Achtung der Bedürfnisse und der Würde der
Minderjährigen müssen dabei zentral sein. Stets muss das Kindeswohl als
Leitmotiv die höchste Priorität genießen! Pauschale Regelungen - one fits all -
reichen nicht! Bei einem Grenzübertritt im Alter von weniger als 16 Jahren
handelt es sich um eine einfache Entscheidung. Die Betroffenen sind in Obhut zu
nehmen und aus dieser Situation heraus ist die gerichtliche Entscheidung zur
Auflösung der Ehe herbeizuführen.
Handelt es sich um eine seit Jahren gelebte
Beziehung, aus der ein Kind oder gar Kinder hervorgegangen sind, stehen komplexe
Entscheidungen an. Deswegen: Will man die Ablehnung der Kinderehe - in der wir
uns alle im Hohen Hause einig sind - mit dem Kindeswohl überein-bringen, braucht
es eine Entscheidung, die die Interessen des schwächeren Teils des Paares
sichert! Mit dieser Auffassung stehe ich nicht alleine. Aus der Zahl der vielen
Stimmen will ich nur einige nennen: der deutsche Caritasverband, der
Sozialdienst katholischer Frauen, der Deutsche Anwaltsverein und das Deutsche
Institut für Menschenrechte. Die CDU-Fraktion im Nordrhein-Westfälischen Landtag
wurde schon genannt. Wer ist für solche Entscheidungen eher berufen, als unsere
deutschen Gerichte?
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen